(29.05.2017, 19:16)313er schrieb: [ -> ]Das finde ich sehr schade, denn für mich gehört ein grundsätzlicher Respekt für jegliches Kunstwerk dazu, so schlecht man es auch findet. Den Titel zu nennen und danach nur fünf Kotz-Smileys zu setzen, ist halt auch nicht im Geringsten konstruktiv, sondern wirkt auf mich ehrlich gesagt überheblich. Das wollte ich nur sagen, weil das für mich ein wichtiger Punkt im Umgang mit Kunstwerken ist.
Na gut, prinzipiell stimme ich dir zu (auch wenn man durchaus über den Begriff "Kunstwerk" streiten könnte, aber es gibt wohl keinen besseren). Wenn man allerdings ein Werk wirklich schlecht findet, muss man das auch unverblümt sagen können, wie eben hier:
(30.05.2017, 14:53)Floyd Moneysac schrieb: [ -> ] (09.11.2007, 19:57)313er schrieb: [ -> ]@CK: Genau ich werde den Kaschperl mit einem Grabstein mit der Aufschrift "Endlich in Sicherheit" überkleben.
Und bei mir ruft schlechte Literatur eben relativ heftige Aggressionen hervor. Ich brauche zum Beispiel nur an Victor Hugo zu denken, und schon werde ich wütend. Die Kotz-Smileys waren wohl trotzdem unangebracht, aber ich habe meine Abneigung in einem späteren Beitrag ja auch begründet:
Primus schrieb:Tolkien geht von den dreien noch am ehesten, aber er schreibt ziemlich langatmig, mir persönlich auch zu hochtrabend für eine pure Fantasy-Reihe und außerdem noch latent rassistisch (alle Elben gut, alle Orks böse usw.) Harry Potter finde ich da viel atmosphärischer (auch wenn der letzte Band etwas nachlässt, vermutlich weil der Rahmen des Schuljahres fehlt), außerdem ist die Reihe auch ein Plädoyer gegen Diskriminierung (der "Schlammblut"-Themenkomplex).
Karl May ist mindestens so zäh und trocken wie Tolkien, dazu kommt eine gewisse "Trashigkeit" und in den Orientbänden pseudophilosophisches Geschwurbel.
An Sofies Welt missfällt mir das irrationale Weltbild und dass die westliche Philosophie quasi für esoterische Zwecke instrumentalisiert wird (das Buch soll eine Einführung in die Philosophie sein, ist aber in Wirklichkeit eine Hinführung zu einem bestimmten, sehr mystifizierenden Welt- und Philosophieverständnis), außerdem der blasse Schreibstil, die hölzernen Dialoge und die blassen, hölzernen, leblosen Figuren. Fast am schlimmsten ist aber, dass wesentliche Philosophen in zwei Sätzen abgefertigt (Nietzsche) oder überhaupt nicht erwähnt werden (Montaigne, Pascal, Schopenhauer, Wittgenstein). Eine ausführliche Zerlegung des Werkes findet sich auf dieser Seite (obwohl ich auch da natürlich nicht mit allem einverstanden bin, aber das ist wieder ein anderes Kapitel).
(Übrigens habe ich das aus dem Gedächtnis geschrieben, beim Nachlesen habe ich herausgefunden, dass auch Voltaire und Adorno in Sofies Welt keine Rolle spielen)
Zitat:Um noch auf den Threadtitel zu kommen: Ich würde mittlerweile tatsächlich sagen, dass es kein einziges Buch gibt, das man gelesen haben muss. Es gibt einfach zu viel Zeug, zu viele unterschiedliche Richtungen, sodass man das immer nur individuell beurteilen kann. Wenn beispielsweise jemand ein jahrelanges, intensives Interesse an dystopischen Romanen hat und dann "1984" nicht kennt, ist es natürlich schon komisch.
Ja, da bin ich ganz derselben Ansicht. Eigentlich habe ich ja etwas gegen überstrapazierte Zitate, aber dieses ist einfach notwendig:
Franz Kafka schrieb:Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.
Und jeder hat sein eigenes gefrorenes Meer, zu dem ganz andere Äxte passen können als zu anderen.
(30.05.2017, 14:53)Floyd Moneysac schrieb: [ -> ]In die Shoutbox, Bertelhausener schrieb:: Ich lese kein Rico, Oskar und Co. Das ist kindisch...
Äh ... nein, ist es nicht. Man merkt zwar, dass Rico und Oskar vorpubertär sind, es werden aber sehr ernste Themen angesprochen, wie bspw. Sex, Tod, Behinderungen oder Homosexualität. .
Rico-Oscar gehört definitiv zu den Kinderbüchern, die man auch als Erwachsener mit Gewinn lesen kann. Zum sprachlichen Training für Jugendliche in Bertelhauseners Alter ist es aber wahrscheinlich nicht unbedingt geeignet.
(30.05.2017, 16:20)Huwey schrieb: [ -> ]: Noch ein paar Empfehlungen:
Don Quijote
Krieg und Frieden
Das Bildnis des Dorian Gray
Franz Kafka - Gesammelte Werke
Natürlich alles sehr lesenswert, aber für den Einstieg sind diese Werke schon etwas schwer... Ich weiß nicht, ob man sie Bertelhausener empfehlen sollte.
(31.05.2017, 22:19)Derschwaflkop schrieb: [ -> ]Könntest du mir deine Definition der beiden Kategorien erläutern? Vollkommen ernstgemeinte Frage, würde mich wirklich interessieren. Karl May schrieb beispielsweise Abenteuerromane, wobei zu diesem Genre auch schon Homers Odyssee und mittelalterliche Artusromane gezählt werden. Homer als Vater der abendländischen Literatur würde wohl keiner das Label "hohe Literatur" absprechen, also wieso Karl May?
Ich ziehe jetzt mal einen etwas hochtrabenden Vergleich: Die meisten Menschen glauben zu wissen, was gut und böse ist. Sie können in Einzelfällen entscheiden, ob eine gute oder eine böse Handlung vorliegt, aber es gibt Grauzonen, Zweifelsfälle, Dilemmata, und vor allem kommt man in große Schwierigkeiten, wenn man eine allgemeine Definition der beiden Begriffe liefern soll, nach der man alle denkbaren Fälle entscheiden kann. Dafür muss man nämlich eine umfassende Moralphilosophie aufstellen, und umfassende Moralphilosophien haben es so an sich, dass sie anfechtbar sind, weil sie Schwächen und Lücken haben und oft nur ihrem Urheber logisch erscheinen:
Thomas Bernhard schrieb:Es gibt auf der Welt keine zwei gleichen Menschen. Es gibt ja auch keine Philosophie, die eine Gültigkeit hat, die über den, der sie gemacht hat, hinausgeht. Was der Kant geschrieben hat, ist ja ganz lieb und nett, aber es ist auch nur eine Philosophie von einer Person für eine Person. Daß sie dann Hunderte, Tausende oder Millionen Menschen zu ihrer eigenen machen, ist ja eine andere Sache, weil die das halt akzeptieren und sich quasi wie ein Schwamm damit vollsaugen lassen. Deshalb sind das aber trotzdem keine Wahrheiten, die über die eine Person hinausgehen und sich außerdem auch innerhalb dieser Person andauernd ändern.
Trotzdem vertreten die wenigsten Menschen die Ansicht, es gebe gar keinen Unterschied.
Ähnlich verhält es sich mit der Unterscheidung zwischen Literatur und Unterhaltungsliteratur. Ich kann dir schon Merkmale und Kriterien nennen (Intention: Unterhalten / Kunstwerk schaffen; Sprache: Flach, nur der Transportierung des Inhalts dienend / Bewusst gestaltet; Gefühle: Einfach, klar / Komplex, verworren; Deutungsmöglichkeiten: Eindeutig / Nicht eindeutig) aber für alle lassen sich Gegenbeispiele finden, keines ist wirklich allgemein gültig, und es sind eigentlich Kriterien
a posteriori (ich verwende den Begriff nicht ganz korrekt, aber was soll's): Ich leite nicht aus ihnen meine Entscheidungen ab, sondern umgekehrt. Meine Einteilung in Literatur und Unterhaltungsliteratur basiert wahrscheinlich auf Vorgängen in meinem Gehirn, die mir nicht bewusst sind (ebenso verhält es sich mit der Entscheidung, ob ein Werk "gut" oder "schlecht" ist), weshalb ich sie dir eigentlich auch nicht erklären kann. Für mich ist es aber natürlich vollkommen in Ordnung, wenn du diese Unterscheidung für irrig hältst, schließlich argumentiere ich gerade gegen meinen eigenen Standpunkt.
Derschwaflkop schrieb:Deine Kritik kann ich schon nachvollziehen. Was mir an Rowling und Brown missfällt, hab ich ja schon im Schreikasten geschrieben.*
Derschwaflkop schrieb:*
Zitat:» 27.05.2017 23:47 - Derschwaflkop: Zu Dan Brown: Das ist der Inbegriff von Trash, außerdem hat er in vielen Fällen falsch recherchiert und dadurch fehlerhaft historische Informationen ins kollektive Bewusstsein der Massen eingebrannt (und ich rede nicht von den erkennbar fiktionalen Elementen). Aber wem's gefällt, ich hab ja gesagt, dass man auch mal schlechte Bücher lesen kann. (Löschen)
» 27.05.2017 23:45 - Derschwaflkop: @ Topolino: Ich hab alle Bücher gelesen und fand sie kontinuierlich immer schlechter. Eine ursprünglich nette, phantasievolle Idee wurde zum kommerzialistischen Konsumprodukt, das erkennbar den Massengeschmack treffen wollte und immer uninspirierter wirkte. Andere Autoren sind um Längen besser als Rowling, bekommen aber kaum Aufmerksamkeit. Und der Geldesel wird immer weiter gemolken, jetzt mit diesem komischen Spinoffs. Potter-Fans sind meiner Erfahrung nach engstirnig, intolerant und kurzsichtig, wenn sie mit solchen Ansichten konfrontiert werden. Aber was will man von erwachsenen Männern erwarten, die sich aufführen wie 12jährige Boyband-Groupies. (Löschen)
Nicht nur Potter-Fans verhalten sich engstirnig, intolerant und kurzsichtig, wenn sie mit Kritik an Potter konfrontiert werden, das gehört zum wirklichen Fansein dazu. Ich bin ganz bestimmt kein Potter-Fan und kümmere mich auch nicht um die Spinoffs, ich habe die Bücher nur relativ gerne gelesen, wobei ich auch deine Kritik nachvollziehen kann. (Bei Dan Brown sind wir völlig auf einer Linie.)
Derschwaflkop schrieb:Letzten Endes bleiben solche Bewertungen aber eben subjektiv. Du magst beispielsweise Tolkien und May langatmig finden, ich hingegen liebe ihren Schreibstil, da es ihnen gelingt, vor meinem inneren Auge atmosphärische Bilder zu erzeugen und mich voll in die Geschichte hineinzuziehen.
Und genau das gelingt Rowling eben bei mir. Wie du sagst, es ist subjektiv.
Zitat:Der von dir verlinkte Text zu Sofies Welt ist durchaus interessant und enthält einige valide Punkte (insbesondere das mit dem Mystizismus), auch wenn ich das altbackene kulturkritische Genörgel über Gaarders Sprachgebrauch etwas albern finde, zumal Herr Kahl zu vergessen scheint, dass das Buch nun mal keine wissenschaftliche Arbeit ist.
Ganz genau das habe ich hiermit gemeint:
Primus schrieb:Eine ausführliche Zerlegung des Werkes findet sich auf dieser Seite (obwohl ich auch da natürlich nicht mit allem einverstanden bin, aber das ist wieder ein anderes Kapitel).