: Um mit dem letzten Teil deines Beitrags zu beginnen: Kein Problem. Danke. Mir war zwar schon bewusst, dass du emotional an die Sache rangehst, aber ich denke, ich verstehe dich jetzt besser. Nichtsdestotrotz empfinde ich es teils als etwas anstrengend, mit dir zu diskutieren, weil du häufig die für dich schlechtestmögliche Interpretation des Gesagten annimmst bzw. die Aussagen deiner Gesprächspartner überspitzt wiedergibst. Denn ich denke auch, dass wir in dieser Sache prinzipiell nicht ganz so weit auseinanderliegen. In einigen Punkten aber schon:
Zitat:und die Reaktion darauf dann so ein halbverständnisvolles „hmm, hätte man anders machen können, ärgerlich“
Ich habe darauf eher pragmatisch reagiert, ja. Ich bin vielleicht nicht besonders verärgert darüber, jedenfalls nicht annähernd so wie du. Enttäuscht bin ich aber schon. Und halb verständnisvoll stimmt einfach nicht.
Zitat:wobei dem ausschließlich profitorientierten Großunternehmen dann auch noch implizit edle Motive unterstellt werden und dessen Handlungen personalisiert und psychologisiert werden. Ich frage mich ernsthaft, ob du dir der Tragweite dieser Entscheidung von Disney wirklich bewusst bist.
Dass Disney ein milliardenschwerer Konzern ist, der möglichst viel Geld und noch mehr Geld verdienen will, ist mir durchaus klar. Trotzdem kann ich doch einzelne Handlungen von Disney als gut oder schlecht (oder auch alles dazwischen) bewerten. Mal ein Beispiel aus dem Filmbereich: In der bald erscheinenden Arielle-Realverfilmung wurde mit Halle Bailey eine schwarze Schauspielerin besetzt. Neben viel (meiner Meinung nach hanebüchen begründeter) Empörung haben sich auch viele Mädchen gefreut, die den Trailer gesehen und sich sozusagen selbst wiedererkannt haben, weil da tatsächlich mal eine Hauptfigur die gleiche Hautfarbe hat wie sie. Das find ich schön. (Obwohl mich die meisten Realverfilmungen nicht interessieren und ich auch diesen wohl nicht anschauen werde.) Und ja, ich halte den Kritikpunkt für valide, dass Disney schon viel früher mehr schwarze Schauspieler*innen als Hauptfiguren besetzen hätte können. Trotzdem finde ich diese eine singuläre Entscheidung in ihrem Ergebnis gut. Das kann man doch unabhängig davon bewerten, dass Disney an Profit interessiert ist. Und genauso kann ich dann auch sagen, dass Disney in dieser Sache meiner Meinung nach im Ansatz eine gute Haltung gezeigt hat, aber halt die falschen Schlüsse daraus gezogen hat.
Abgesehen davon glaube ich aber auch, dass du den wirtschaftlichen Nutzen von Antirassismus etc. ein bisschen überschätzt. In den USA wählen etwa die Hälfte der Leute eine zunehmend rassistische, faschistische Partei. Bei denen kommt Diversität eben nicht soo gut an. Das sieht man übrigens auch an dem "Don't say gay"-Gesetz in Florida. Disney wurde hier von beiden Seiten kritisiert, da sie erst rumgeiert haben bzw. zuvor Republikaner unterstützt haben (wie du ja auch erwähnt hast, siehe auch
hier und andere Meldungen im letzten März). Mittlerweile ist der stark kritisierte Chef Chapek weg und Disney hat dadurch, dass sie sich dagegen ausgesprochen haben, eine Fehde mit Ron DeSantis, die sich wohl eher nachteilig auswirkt (siehe z. B.
hier). Ob Disney sich da in wirtschaftlicher Hinsicht einen Gefallen getan hat, ist also zweifelhaft. Deshalb finde ich es nicht so trivial, dass Disney sich hier dagegen positioniert hat.
Ich bin nun zwangweise etwas in die Rolle des Verteidigers von Disney geraten, aber das möchte ich ja gar nicht sein. Es gibt ganz bestimmt sehr, sehr viele Punkte, die man an Disney kritisieren kann und sollte. Ich denke zwar, viele dieser Punkte beziehen sich generell auf alle oder fast alle großen Konzerne, einige sind aber sicherlich auch spezifisch für Disney. Von vornherein aber alles pauschal als böse einzustufen, was Disney tut, finde ich albern.
Zitat:Ich hätte es NICHT gut gefunden. Ich halte es für eine absolute Ungeheuerlichkeit, auch nur auf die Idee zu kommen, so etwas gutzuheißen. Ich bin ein mündiger Leser eines ernstzunehmenden und gut durchdachten Kunstwerks in Comicform und möchte KEINEN Kinder ansprechenden, belehrenden, unaufrichtigen Text lesen, in dem erklärt wird, welche Stellen wo im Werk wie zu deuten sind und wo und warum ich mich vor infektiösem not-aligning-with-the-values-of-Disney-Gedankengut in acht nehmen soll, angeordnet von einem skrupellosen, geldgierigen, seelenlosen Unternehmen, das diese Comics ohne jedes moralische Recht seit Jahrzehnten als ihren Besitz verwaltet und damit Geld scheffelt, ohne auch nur einen Funken dazu beigetragen zu haben. Ich möchte genau so viele Warnhinweise lesen, wie ich es tue, wenn ich ein Nicht-Comic-Buch in die Hand nehme: Keine. Denn für mich sind Comics eine ernstzunehmende Kunstform und keine von Disney als Geisel genommene Ideologieverbreitermaschine für Kinder. Lieber habe ich kein SLSM als ein SLSM, dass von Disney komplett seiner Würde beraubt wurde. Wie wir alle wissen, sieht Don Rosa das ganz genauso, und Gott sei Dank.
Ich denke nicht, dass ein kurzer, gut formulierter Hinweis - zum Beispiel, dass eine Figur rassistische Stereotype erfüllt - irgendwie die "Würde" eine Comics oder irgendeines anderen Kunstwerkes zerstören kann. (Erst recht nicht in dem konkreten Fall, denn Bombie ist in den Geschichten ja nur ein kleiner Teil der Handlung.) Es wäre halt ein Hinweis, den man beachten kann oder auch nicht. Wenn ich so einen Hinweis vor einem Comic sehen würde, würde ich den mit Interesse lesen und dann schauen, inwiefern das meiner Ansicht nach zutrifft oder nicht. Unmündig würde ich mich überhaupt nicht fühlen. Wie ich das als Kind aufgenommen hätte, weiß ich ehrlich gesagt nicht, wahrscheinlich wären mir die Hinweise mehr oder weniger egal gewesen.
Aber wahrscheinlich ist es Quatsch, das noch weiter zu diskutieren, weil es halt theoretisch ist: Ich gehe von einem sinvollen, von einem Experten geschriebenen Hinweis aus und du vom genauen Gegenteil.
Es ist Offtopic, aber um dich am Ende noch ein weiteres Mal zu enttäuschen:
Zitat:Disney boykottieren ist gar nicht nötig, die machen sowieso seit Jahrzehnten nichts mehr selbst, was der Rede wert wäre. Wer wirkliche Animationskunst sehen will, dem empfehle ich Studio Ghibli. Das ist wirklich pure ungefilterte Kunst ohne jeden Anflug von Kommerz oder Verfälschung. Es ist einfach unglaublich wunderschön, dass es so etwas gibt, und ich kann euch versprechen, wenn ihr einmal einen dieser wundervollen Filme gesehen habt, werdet ihr nie wieder einen Gedanken an Disney und seine Sequels und Remakes im hässlichen 3D-Animationslook verschwenden. [Bild: https://img.fieselschweif.de/smilies/froehlich.gif]
Ich habe zwar nicht besonders viele, aber schon ein paar Ghibli-Filme angeschaut und ich konnte teils mehr, teils weniger damit anfangen. "Die letzten Glühwürmchen" fand ich sehr bewegend. Trotzdem hab ich noch Gedanken an Disney-Filme verschwendet. Es sind einfach unterschiedliche Sachen und finde es sehr gut möglich, sich für beides zu interessieren.
: Ein wirklich guter Hinweis, daran hatte ich ehrlich gesagt noch gar nicht gedacht.