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Wenig beachtete Barks-Comics
#1
Dieser Thread sollte eigentlich „Zehn wenig beachtete Barks-Comics, über die sich dennoch sehr viel sagen lässt“ heißen, aber wenn ich so einen langen Titel vergebe, liest das hier niemand mehr...

Was habe ich vor? Ich werde anhand von zehn Comics etliche Aspekte von Barks' Werk beleuchten, die vielleicht dem einen oder anderen entgangen sind und einiges an Hintergrundinfos geben, die vermutlich auch nur ein eingeschworener Kreis weiß. Wenn ich Barks schreibe, dann fallen jedem gleich dutzende Comics ein. Die Comics, die ich ausgewählt habe, werden wohl nicht die ersten sein, die einem in den Sinn kommen – es sind ja eben wenig beachtete Comics.

Ich werde hier voraussichtlich zweimal pro Woche updaten, damit ihr auch genügend Zeit habt, um meine Analysen zu lesen und mich dann nach aller Regel der Kunst zu beschimpfen und zu beleidigen. Aber bevor ich hier noch weiteres Quackquack verliere, hinein in die erste Geschichte!


Rührei
Rührei zählt sicher zu den bekannteren Barks-Zehnseitern (aber seien wir uns ehrlich, verglichen mit den langen Geschichten ist auch Rührei nicht sonderlich bekannt). Es ist zudem einer der autobiographischsten Comics, die Barks gezeichnet hat und genau deshalb habe ich ihn auch ausgewählt!

Rührei behandelt auf zehn Seiten die Missgeschicke Donalds und seiner Neffen, die oberhalb des Ortes Freudenbad eine Hühnerzucht haben. Sie spekulieren auf Gewinne durch Eierverkauf, leider weigern sich die Hühner beharrlich zu legen. Der Versuch auf Federn umzusatteln geht ebenfalls schief (Freudenbad wird geteert und gefedert). Zu guter Letzt überschwemmen unzählige Eier den Ort Freudenbad, der abgebrannt und vollständig wieder aufgebaut werden muss.

Barks verließ 1942 das Disney-Studio, da er große gesundheitliche Probleme mit der Klimaanlage hatte (es gab natürlich auch noch andere Gründe). Deswegen beschloss er, sich in einer trockeneren Gegend anzusiedeln und zog mit seiner Frau Clara ins San Jacinto Valley. In jener Zeit konnte er sich nicht anders über Wasser halten, als mit der Hühnerzucht zu beginnen. Die Wahl fiel auf Hühner, weil es billiger war, als Kühe zu halten (was Barks lieber gewesen wäre). Er brauchte allerdings einen gewissen Verdienst, um als Freelancer Cartoons einsenden zu können, sonst wäre es finanziell zu unsicher für ihn gewesen. An den Hühnern selbst hing nicht sein Herz, das hatte er an die Enten verloren, wie uns auch das einzige Bild des duck man aus dieser Zeit zeigt. Bald schaffte es Barks, bei Western anzuheuern und Comics für Western zu zeichnen, was ihm mehr Geld einbrachte als die Hühner (wenn auch immer noch relativ wenig). Barks' eigenen Aussagen zufolge dauerte es nicht sehr lang, bis er die Hühnerzucht wieder aufgab, die er nie und nimmer parallel zu seinem wachsenden Pensum als Comiczeichner (in jeder Zeit zeichnete Barks auch ein paar Non-Disney-Comics) hätte durchführen können. Auch danach noch sah sich Barks allerdings manchmal als failed chicken farmer. Seine Avancen in das Gebiet der Hühnerzucht wurden 1947 durch Walt Kelly in einem Cover der Comics & Stories festgehalten, das „Barks Jiffy Chicken Dinner“ titelte.

   
Barks mit Ente, aus seiner Zeit als Hühnerzüchter

Auch wenn die Episode als Hühnerfarmer nur eine kurze war, hat sie dennoch Spuren hinterlassen. Barks, der fand, die Hühnerzucht sei ihm gänzlich missglückt, arbeitete, natürlich übertreibend, wohl einige seiner Erfahrungen in Rührei ein. In den Jahrzehnten vor seiner Tätigkeit für Disney hatte er weitere Gelegenheitsjobs gehabt – beispielsweise als Holzfäller – und war auch in diesen nicht besoners begabt gewesen. Seine Erfahrungen konnte er aber sehr gut gebrauchen, als er begann, Donald-Zehnseiter zu schreiben, von denen viele die Tätigkeiten zeigten, mit denen sich auch Barks einst herumgeplagt hatte.

Barks lebte weiterhin im San Jacinto Valley, welches einen starken Einfluss auf etliche Geschichten ausübte. Schon die Geographie in Rührei bezieht sich auf das Valley, die Berge und Hügel, die zu sehen sind, hatte Barks tagtäglich vor seiner Nase. Interessant ist aber auch der Einfluss auf andere Geschichten. So benutzte Barks eine auf einem Hügel befindliche Filteranlage des lokalen Milliardärs im San Jacinto Valley, William F. Whittier, als Anregung für die Gestaltung des Geldspeichers in Eingefrorenes Geld. Whittier baute auch einen Damm, der allerdings mehrfach das Tal überflutete. Dies dürfte Barks zu Der arme reiche Mann inspiriert haben, auch ein Einfluss auf Rührei ist möglich. Und zu guter Letzt war der reale Vermögensabfall zwischen dem reichen, durch Whittier erbauten Hemet und dem armen San Jacinto Grundlage für die berühmte Barks-Weihnachtsgeschichte Weihnachten für Kummersdorf.


Und jetzt noch die Zusammenfassung/das Fazit für diejenigen, die nicht den ganzen Text lesen wollen: Rührei gehört zu den autobiographischsten Barks-Comics, denn Barks selbst hat eine Zeit lang eine Farm im San Jacinto Valley besessen. Er war in seinem Leben auch in anderen Berufen zugange, allerdings nie sehr erfolgreich, und konnte seine Erfahrungen für diverse Zehnseiter nutzen, in denen auch Donald auf ganzer Linie scheitert. Das San Jacinto Valley spielt insgesamt eine sehr wichtige Rolle im Barks'schen Werk, denn der duck man zog wichtige Anregungen zu drei seiner bedeutendsten Geschichten aus der lokalen Geographie.
C.A.R.L.B.A.R.K.S. (Comicliebende, außerordentlich redegewandte Leseratte, barksistischer Allroundexperte, Rottenführer kluger Schweiflinge)
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#2
Dass Barks sich für viele Geschichten stark von San Jacinto Valley inspirieren ließ, wusste ich schon (wenngleich glaube ich auch durch deine Beiträge in der DP :D), aber dass er mal Hühner gezüchtet hat, ist mir völlig neu. Schöne Analyse, die lässt mich die Geschichte ganz anders sehen! Ich habe sie gerade nochmal gelesen und ihr habt Glück dass ich noch lebe weil ich habe mich fast totgelacht, als ich mir vorgestellt habe, wie Barks seinen Eiern hinterher denn hab runterrennt ggg Ich bin schon wahnsinnig gespannt auf die nächsten „wenig beachteten“ Comics und vor allem auf die Hintergründe!!
D.U.C.K. (Dedicated to Unca Carl and Keno)
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#3
Da steht "Rühreiein" ;)

Davon abgesehen ein guter Text. Und das Foto von Barks mit seiner Ente ist süß :)
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#4
Sehr schöner Text! Gut Woher stammen denn die ganzen Informationen?
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#5
Thomas Andrae: Carl Barks and the Disney Comic Book Engel
D.U.C.K. (Dedicated to Unca Carl and Keno)
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#6
(03.02.2021, 13:34)Spectaculus schrieb: Da steht "Rühreiein" ;)

Tatsächlich, Schande über mein Haupt.

Andrae ist die wichtigste Quelle für die Infos zu San Jacinto (ein wirklich tolles, leider längst vergriffenes Buch), für Barks Hühnerfarm finden sich viele Infos hier: https://cbarks.dk/thechickenfarmer.htm (inklusive dem Foto), einige der paraphrasierten Barks-Aussagen hab ich aus dem Buch Carl Barks Conversations.

Generell steht viel von dem, was ich hier schreibe und noch schreiben werde, auch in der Duckipedia, da finden sich dann auch die genauen Quellenangaben.
C.A.R.L.B.A.R.K.S. (Comicliebende, außerordentlich redegewandte Leseratte, barksistischer Allroundexperte, Rottenführer kluger Schweiflinge)
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#7
Von Andrae stammen ja auch die ganzen tollen Artikel in der Floyd Gottfredson Library... :)
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#8
Hier kommt numero due, leider einen Tag später als geplant, dafür ist der Text auch deutlich länger und stellenweise gerade für die sehr interessant, die sich die Gottfredson Library bereits zugelegt haben oder noch zulegen werden. Der Text ist am Anfang ein bisschen wertend, aber das sollte mir hier auch erlaubt sein  Zwinkern


Der Schlangenring

Der Schlangenring ist in zweierlei Hinsicht das komplette Gegenteil von Rührei: Die letztere Geschichte gehört in Barks' klassische Phase (der Begriff stammt nicht von mir, sondern von Geoffrey Blum) und ist ein Zehnseiter, die erstere steht fast am Beginn von Barks' Comicschaffen und ist eine lange Abenteuergeschichte. Der Schlangenring ist die erste lange Geschichte, die Barks sowohl schrieb als auch zeichnete, doch trotz dieses Alleinstellungsmerkmals hat sie verhältnismäßig wenig Beachtung gefunden. Dafür gibt es allerdings auch gute Gründe: Die Enten wirken noch sehr plump, besonders die Darstellung von Tick, Trick und Track mit Pausbacken ist gewöhnungsbedürftig. An der optischen Gestaltung merkt man noch den Filmmensch Barks, der nur allmählich den Weg auf das Medium Comic fand. In der Gestaltung ist die Geschichte jedenfalls noch sehr weit von dem Stil entfernt, der Barks' Comics der 1940er ausmacht und der später etwa von den Heymans wieder aufgegriffen wurde. Über die reichlich krude Story will ich mich hier gar nicht auslassen, wem sie nicht mehr geläufig ist, der möge sie nachlesen. Eines ist jedenfalls klar: Würde die Geschichte heutzutage geschrieben und erstveröffentlicht werden, so würde wohl niemand annehmen, dass wir es hier mit dem Werk eines Menschen zu tun haben, der zum größten und einflussreichsten Disney-Comiczeichner und -autoren aller Zeiten werden wird. Die Frage ist deshalb ganz anders zu stellen: Lässt sich anhand Der Schlangenring bereits erahnen, welches Genie hier am Werk ist und wohin die Reise gehen wird? Kurze Antwort: zum Teil!

Auf zwei Aspekte möchte ich in Folge eingehen. Zunächst einmal ist der Einfluss von Floyd Gottfredson und den Micky Maus-Comics in dieser Geschichte mit am deutlichsten. Dies beginnt bei der Wahl des Bösewichts, Kater Karlo, erstreckt sich aber auch auf die Nebenfiguren, die sehr Gottfredson-ähnlich aussehen und wenig mit Barks' Stil in seiner klassischen Phase zu tun haben. Auch die Story liest sich fast so, als hätte Barks Micky Maus anstelle Donalds vorgestellt; wenig ist von jenen unverwechselbaren Eigenschaften Donalds in der Geschichte zu merken, die Barks' reifere Geschichten permeieren. Würde man in dieser Geschichte Donald durch Micky ersetzen, so würde die Geschichte immer noch dieselbe bleiben, schreibt Geoffrey Blum.

Die Orientierung an Micky ist verständlich. Vor Piratengold und Der Schlangenring gab es keine langen Abenteuergeschichten mit Donald Duck in den USA (und nur einige wenige britische und italienische, die Barks nicht bekannt waren). Donalds Metier waren die kurzen Gaggeschichten, die sich an den Cartoons orientierten und die Donalds Temperament und Missgeschicke in absurder Überspitzung zeigten. Barks, der im story department der Donald Duck-Cartoons seine Erfahrungen mit der Ente gesammelt hatte, sah noch lange die kurzen Gaggeschichten als seine wahre Stärke und fand erst allmählich in die Abenteuergeschichten hinein. In beiden Genres war ihm allerdings Gottfredson enorm hilfreich. Barks erinnerte sich an ein Gespräch mit dem gleichaltrigen Floyd, in dem dieser ihn auf die wesentlichsten Unterschiede zwischen Film und Comic aufmerksam machte: In Filmen bekommt man Action- und Gewaltszenen immer nur ein paar Sekunden zu sehen, in Comics kann man sich die Panels so lange anschauen, wie man Lust hat. Barks begann daraufhin, die Gewalt und Action in seinen Geschichten abzuschwächen.

Gottfredson hatte auch enormen Einfluss auf Barks' storytelling: Barks hatte in den 1930er-Jahren Gottfredsons Strips verfolgt (allerdings nicht mehr die der 40er und 50er), die ihn nach eigenen Angaben sehr beeindruckten. Die Art, wie Gottfredson seine Geschichten konstruierte, wie sie auf ihre Klimax zusteuerten, wie Plot, Text und Zeichnungen sich zusammenfügten, besonders aber die Tuschung, beeinflussten Barks. Auch die Verknüpfung von Dramatik und Humor, dass schwierige Situationen mit außergewöhnlichen Mitteln gelöst wurden, übte Einfluss aus und wurde von Barks mit Beginn der klassischen Phase perfektioniert (in diesem Zusammenhang wären beispielsweise Der Geist der Grotte oder Der Sheriff von Bullet Valley zu erwähnen). Für Das Gespenst von Duckenburgh griff Barks sogar auf den Gottfredson-Comic Blaggard Castle zurück, dem er wesentliche Anregungen entnahm. Gottfredson habe Qualität in die Comics gebracht, sagte Barks einmal, und Barks konnte darauf aufbauen.

Der zweite Aspekt, dem ich mich widme, betrifft den Einfluss des National Geographics auf Barks' Schaffen, der in Der Schlangenring am deutlichsten ist. Barks war von exotischen Gegenden fasziniert und versuchte bereits früh, seine Geschichten vor möglichst realitätsnaher Kulisse spielen zu lassen. Für Piratengold holte er sich Anregungen im NGM bezüglich des Wirtshauses Bucket O'Blood und des Schiffes. Barks studierte Schiffsabbildungen, um die Takelage gut zeichnen zu können. Der Schlangenring fußte gänzlich auf einem NGM-Artikel mit Bildstrecke (With A Felucca Down The Nile). Wie bei einigen anderen Comics des frühen Barks kam der Schauplatz vor der Geschichte. Beginnend mit den Straßenszenen in Kairo zeichnete Barks zweieinhalb Seiten lang praktisch nur Bilder aus dem NGM ab und versuchte, so viele Pyramiden wie möglich in die Geschichte hineinzustopfen. Am Schluss der Geschichte sorgt der Versuch, möglichst viele Bilder aus dem NGM zu übernehmen, zu einem besonderen geographischen Lapsus, da Barks die Memnonkolosse mitten in den Nil hineinsetzt. Aber auch die Kostüme und die Szene im Palast des Beys entstammte Bildern aus dem NGM.

Der Schlangenring ist der Comic mit den augenscheinlichsten NGM-Bezügen, aber er war bei weitem nicht der letzte. Für Das Gespenst von Duckenburgh ließ Barks sich etwa von einem Artikel über Burgen inspirieren, in Vor Neugier wird gewarnt verwendete er ein Foto des Gibraltarfelsen im NGM sowie Bilder aus einem Artikel über Persien. Die Verwendung dieser Hintergründe sorgte für authentische Geschichten – ein besonderes Markenzeichen des klassischen Barks. Mit Der Schlangenring wurde bereits der erste Schritt in diese Richtung unternommen. Ein Vergleich mit anderen Disney-Autoren ist gerade deshalb sinnvoll, weil Barks von Beginn an mehr Energie in Recherche investierte als viele andere, deren Geschichten darum auch nie so lebensecht wirken. Wenn ich zu Beginn die Antwort vorweggenommen habe, dass an Der Schlangenring bereits etwas von der Größe des späteren Barks zu bemerken ist, so ist es präzise aus diesem Grund, der vielen anderen Autoren komplett abgeht. Weiters war die frühe Orientierung an und Imitation von Gottfredsons Stil außerordentlich fruchtbar für Barks. Wenn wir eine Brücke zu Scarpa schlagen, sehen wir auch bei ihm die anfängliche Imitation Gottfredsons, die ihm den Weg zu einem der größten italienischen Disney-Comicautoren ebnete.

Kurzüberblick: Zwei wichtige Aspekte des Barks'schen Schaffens habe ich in diesem Text unter die Lupe genommen: die Orientierung an Gottfredson und die Verwendung authentischer Hintergründe, die Barks aus Artikeln des NGM bezog. Beide Aspekte lassen sich in der Geschichte Der Schlangenring beobachten, die ich gerade deshalb zur Analyse ausgewählt habe.
C.A.R.L.B.A.R.K.S. (Comicliebende, außerordentlich redegewandte Leseratte, barksistischer Allroundexperte, Rottenführer kluger Schweiflinge)
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#9
Ich mag den Schlangenring immer noch sehr gerne, gerade weil er sich auch so untypisch von den anderen Storys abhebt. Es gibt kaum Gags, aber dafür viel Spannung und vor allem das Gefühl von Authentizität. Es fühlt sich einfach nicht an, wie eine Funny Animal Story – und das ist gut so.

Da stört es auch nicht, dass er die Memnonkolosse in den Nil versetzt hat. Das Schlussbild sieht einfach fantastisch aus.

Die Story wollte er auch in erster Linie machen, um eben diese Vielzahl an Pyramiden, Tempel und Statuen unterzubringen. Auch für die Gewänder stammt die Vorlage aus dem NG. Seine Abenteuergeschichten ohne diese Vorlagen wären fast gar nicht denkbar. Für den Goldenen Helm hat er z. B. das Oseberg-Schiff 1:1 aus dem Wikingerschiffmuseum in Oslo übernommen. 

Heute würde so eine Story sofort abgelehnt werden, zumindest von Egmont. Zu unlustig, Donald "zu mutig" und dann natürlich die realen Hintergründe/Orte. (Obwohl dass ja immer mal wieder geändert wird.)

[Bild: https://inducks.org/hr.php?image=https:/...rmalsize=1]
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#10
Ich mag den Schlangenring auch (sonst hätt ich ihn auch nicht ausgewählt Zwinkern ) und am Schlussbild erkennt man wirklich schon, dass hier der Meister am Werk ist (auch wenns eben geographisch falsch ist). Und ja, die Gewänder und die Palastszene hab ich vergessen zu erwähnen. Für Der Goldene Helm war der wichtigste Einfluss Prince Valiant (für die Küstenszenen). Hach ja, ich könnte zu all dem noch viel mehr schreiben, aber ich will ja auch nicht, dass die Texte zu lang werden und das Zeug niemand mehr liest Greenie

Wo hast du übrigens das tolle farbige Bild her? Ich kannte es nur schwarzweiß aus der alten Barks Library Special Donald Duck
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#11
Tolle Beiträge, McDuck! Fröhlich

Zum Schlangenring: Ich muss zugeben, dass ich gerade die frühen Abenteuergeschichten von Barks lange Zeit nicht so sehr mochte wie die Abenteuergeschichten aus seiner klassischen Phase. Das hat sich zwar nicht verändert, aber inzwischen mag ich die ernstere Atmosphäre der Frühwerke. Gerade beim Schlangenring sind die Zeichnungen der Landschaft und der Pyramiden sehr schön.
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#12
(06.02.2021, 19:31)McDuck schrieb: Wo hast du übrigens das tolle farbige Bild her? Ich kannte es nur schwarzweiß aus der alten Barks Library Special Donald Duck

Das Bild ist aus der CBC, Band 1.  Zwinkern
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#13
Finde den Text auch sehr gut. Wenn du allerdings schon die Duckenburgh erwähnst, sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade dieses Szenario auch ein Vorbild bei Gottfredson hat, nämlich Blaggard Castle bzw. Burg Unfried (steht sogar so im Begleittext in der FGL drin). Dürfte auch nicht jeder wissen.
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#14
(07.02.2021, 11:55)Spectaculus schrieb: Finde den Text auch sehr gut. Wenn du allerdings schon die Duckenburgh erwähnst, sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade dieses Szenario auch ein Vorbild bei Gottfredson hat, nämlich Blaggard Castle bzw. Burg Unfried (steht sogar so im Begleittext in der FGL drin). Dürfte auch nicht jeder wissen.

Siehst du, das wusste ich gar nicht. Ein bisschen ein Problem in der Barks-Fachliteratur ist ja, dass nicht alles, was für eine Geschichte relevant ist, überall drinsteht. Viel findet sich bei Andrae, aber eben bei weitem nicht alles, viel in den alten Barks Library-Artikeln (aber da sind bspw. auch nicht alle NGM-Einflüsse drin und zu Blaggard Castle steht auch nichts) und ich kann mich nicht erinnern, mal einen Artikel zu Gottfredsons Einflüssen auf Barks gelesen zu haben. Das wichtigste hab ich aus den Interviews zusammengeklaubt. Ich ergänze auf jeden Fall noch Blaggard Castle.
Die FGL hab ich noch nicht, werd sie mir aber in den nächsten Tagen zulegen.
@Mile: Wenn du die CBC hast (DIEWILLICHAUCH) kann ich dir über Barks vermutlich eh nichts mehr Neues erzählen  Greenie
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#15
(07.02.2021, 14:32)McDuck schrieb: @Mile: Wenn du die CBC hast (DIEWILLICHAUCH) kann ich dir über Barks vermutlich eh nichts mehr Neues erzählen  Greenie

Ach, das ist egal. Ich lese Deine Texte gerne und man hat ja auch nicht alle Dinge stets präsent. Und über Barks kann (und sollte) man immer viel reden/schreiben. Zwinkern Also mach gerne fleißig weiter.  Gut
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#16
Nummer drei. Diesmal ein schwieriges Thema, das vielleicht ein paar Diskussionen auslösen wird.






Traum und Wirklichkeit

Bislang habe ich mich mit vier äußeren Einflüssen auf das Barkssche Werk beschäftigt (San Jacinto, Barks Erfahrungen als Hühnerzüchter und in anderen Berufen, NGM sowie Floyd Gottfredson). Es wird also Zeit, Einflüsse genauer zu untersuchen, die aus Barks' grundsätzlichen Einstellungen resultieren (das wird dieser und der folgende Text sein, der vermutlich Ende der Woche kommt). Thema dieses Textes ist ein Faktor, der aus heutiger Sicht problematisch für das Verständnis des Werks des Entenvaters sein kann: Misogynie und Angst vor Entmännlichung.

Der Comic, an dem sich dieser Faktor besonders gut beobachten lässt, ist Traum und Wirklichkeit, einer der besten Zehnseiter, den Barks je geschrieben hat. Donald leidet in der Geschichte unter schrecklichen Albträumen, der Arzt schlägt als Heilungsvariante eine verhasste Arbeit vor, das Häkeln von Zierdeckchen. Dies hilft Donald aber nicht. Daisy erfährt von der Sache und gemeinsam mit dem Damenkränzchen jagt sie Donald, der nicht zugeben will, dass er häkelt. Donald muss auf der Flucht schlimmere Qualen erleiden als in seinen Albträumen, doch er entkommt und ist geheilt.

Thomas Andrae weist auf die psychoanalytische Tiefe des Comics hin, der Donalds Angst, seine Männlichkeit zu verlieren, behandelt. Die Monster mit ihren weit offenstehenden Mündern vergleicht er mit dem ähnlich weit offenen Schnabel von Daisy. Dem ganzen liege das archetypische Bild der vagina dentata zugrunde, der alles verschlingenden Frau, die männliche Kastrationsängste widerspiegelt. In der Psychoanalyse wird diese Urangst auf die frühe Kindheit zurückgeführt, in der der Säugling von der Mutter abhängig ist. Ich will jetzt offen lassen, inwieweit man Andraes psychoanalytischer Analyse folgen will. Immerhin ist höchst fraglich, ob Barks dem Comic bewusst eine psychoanalytische Tiefe geben wollte. Die Parallele zwischen den offenen Mündern der Monster und dem Schnabel Daisys könnte allerdings bewusst erfolgt sein, denn Barks hat in keiner anderen Geschichte einen ähnlich weit offenen Schnabel gezeichnet. Klar ist hingegen, dass die große Panik Donalds, von Frauen bei etwas erwischt zu werden, was nur „Schulmädchen und alte Damen“ tun, in ihm einen besonderen Fluchtreflex auslösen. In der Gesellschaft als jemand abgestempelt zu werden, der sich mit traditionell als Frauenarbeit gesehenen Tätigkeiten zu beschäftigen, ist schlimmer, als sich in ein Becken voller Haifische und in einen Löwenkäfig zu stürzen.

Die Angst vor dem Verlust von Männlichkeit ist ein wiederkehrendes Thema in den Donald Duck-Comics. Die Motivik spielt etwa in Der goldene Helm eine Rolle, in der Donald als Museumswächter sich mit Schmetterlingssammlern und stereotypischen Homosexuellen herumschlagen muss, sich aber nach der Zeit der Wikinger sehnt. Er besteigt das Wikingerschiff „to pretend I'm a he-man“ (in der Übersetzung verliert diese Aussage etwas von ihrer Schärfe). Wesentlich ist sie jedoch auch in den Geschichten mit dem Schwärmlein Kohlmeisen, da sie den Fieselschweiflingen das Gefühl geben, ihnen überlegen zu sein. Dass Frauen Männer in ihren angenommen ureigensten Stärken übertrumpfen, ist eine gängige Angstvorstellung. Machtvolle Frauen erscheinen als besondere Gefahr, dies gilt besonders für Gundel Gaukeley. Der Typus der optisch reizvollen, äußerst gefährlichen femme fatale findet nicht nur bei Barks Verwendung, sondern ist ein gängiger Topos gerade in Filmen.

Hinzu kommt laut Andrae Barks' Misogynie. Barks' Comics haben im Vergleich enorm wenige weibliche Figuren und nur wenige davon werden positiv dargestellt (wichtige Ausnahmen sind Oma Duck, Nelly und Katy Kukuruz aus Das Geheimnis der Eisenbahnaktien). Die wichtigste weibliche Figur ist natürlich Daisy, doch in vielen Geschichten, die Barks geschrieben hat, stellt sie an Donald große Forderungen, verwickelt ihn in Probleme und erscheint eher als Last denn als positive Figur. Besonders bezeichnend ist die Geschichte Der Frühjahrsputz, in der Daisy Donald wieder einmal verfolgt. Barks verwendete Daisy als Stereotyp der fordernden Frau, die er offenbar auch nicht besonders gerne mochte, auch wenn er sie in einigen späteren Geschichten in ein positiveres Licht rückte. Dennoch verwendete er sie ungern in tragenden Rollen. Als er sie in seinen letzten beiden Zehnseitern in wichtigerer Rolle verwendete, geschah dies, da ihn Chase Craig darum gebeten hatte (der Editor von Western hatte bemerkt, dass zunehmend mehr Mädchen die Comics lasen und wollte sie damit ansprechen). Barks mochte es, attraktive Frauen als Anschauungsobjekte für männliche Phantasien zu zeichnen (dies hatte er beim Calgary Eye-Opener perfektioniert), sobald Frauen aktiv in die Handlung eingriffen, waren sie entweder lästig (Daisy) oder gefährlich (Gundel, Madame Triple-X). Daraus leitet Andrae ab, Barks sei frauenfeindlich gewesen; auch dieser Interpretation mag man nur bedingt folgen wollen. Dennoch kann ein gewisses problematisches Verhältnis zu Frauenfiguren nicht geleugnet werden. In den frühen Comics erscheint sogar Oma manchmal als für Donald lästige Figur (bspw. in Musikalischer Unfug), erst in seinen späteren Geschichten werden Frauenfiguren etwas zahlreicher (wenngleich immer noch deutlich weniger als Männer) und positiver besetzt, so kann auch Daisy manchmal glänzen.

Die Angst vor dem Verlust von Männlichkeit und die Misogynie lassen sich zum Teil aus Barks' Leben erklären. Barks kam aus einer konservativen, ländlichen Familie und hatte auch Zeit seines Lebens eher konservative Einstellungen (auch wenn er in etlichen Bereichen nicht mit anderen Konservativen übereinstimmte), die die herkömmliche Geschlechtereinteilung beinhalteten. Seine Mutter starb, als er fünfzehn war, seine zwei ersten Ehen führten zu großen Problemen und schmutzigen Scheidungen. Bei diesen Lebenserfahrungen wundert es einen weniger, wenn Barks seine bitteren Erfahrungen mit Frauen in seinen Comics verarbeitete. Es ist anzunehmen, dass Barks in Daisy etliche seiner bitteren Erfahrungen aus zwei Ehen verarbeitete. Hinzu kommt allerdings noch, dass im 20. Jahrhundert die Geschlechterverhältnisse sich komplett wandelten. Bereits in den beiden Weltkriegen waren Frauen in bisher den Männern vorbehaltene Berufe vorgerückt und die zweite Frauenbewegung führte endgültig dazu, dass Frauen aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken waren. Für viele Männer waren das allerdings einschneidende Änderungen, die tief an ihrem Weltbild kratzten und Ängste der Entmännlichung und Misogynie auslösten. Donald kann mit seinen Ängsten somit als der klassische Amerikaner gesehen werden. Inwieweit auch Barks durch diese Veränderungen eine Angst vor Kontrollverlust entwickelte, lässt sich kaum sagen, es wäre auch die Interpretation denkbar, er habe lediglich gängige Vorstellungen parodiert. Letzten Endes ist die Frage aber auch nicht besonders relevant, denn zumindest in seinem Werk sind die Angst vor dem Verlust von Männlichkeit sowie Misogynie wichtige Faktoren, deren Analyse mit diesem Text mir eben deshalb notwendig erschien.

Zusammenfassung: Ein enorm wichtiger Einfluss auf Barks' Schaffen waren die Angst vor dem Verlust von Männlichkeit sowie Misogynie, die zum Teil aus seiner Lebenserfahrung, zum Teil aus den großen gesellschaftlichen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts zu erklären sind. In Barks' Comics finden sich kaum positiv besetzte weibliche Figuren, etliche sind dagegen gefährliche femmes fatales, die in traditionelle Männerdomänen vordringen.
C.A.R.L.B.A.R.K.S. (Comicliebende, außerordentlich redegewandte Leseratte, barksistischer Allroundexperte, Rottenführer kluger Schweiflinge)
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#17
Schöner Text zu einer meiner Lieblingsgeschichten. Gut
Die psychoanalytische Betrachtung ist meiner Ansicht nach aber ein Fall von Überinterpretation. Die Story soll witzig sein, die Angst vor dem Verlust der Männlichkeit ist hier meiner Ansicht nach schlicht ein humoristisches Erzählmittel, das Barks häufiger genutzt hat, weil es gut funktionierte. Daisy fungierte in den meisten Zehnseitern genau wie Dagobert, Gustav oder Zorngiebel als eine Figur, die Donald das Leben schwer machte. Daraus eine Frauenfeindlichkeit abzuleiten, halte ich für übertrieben, zumal es die genannten Gegenbeispiele wie Oma Duck gibt, und man dann Autoren zahlreicher anderer Comicreihen wie Asterix, Tim und Struppi und Co den gleichen Vorwurf machen müsste.
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#18
Danke für den Text und die Zusammenfassung. Ich denke, da könnte schon was dran sein. Es ist wirklich eine auffällig geringe Frauendichte in den Comics zu beobachten, zudem werden sie oft wie beschrieben auch eher als Handlungsobjekt bzw. Handlungsvorantreiber:in verwendet als als handelnde Protagonistin / zentrale Figur.
"Ich glaube übrigens, dass das gesamte Universum mitsamt allen unseren Erinnerungen, Theorien und Religionen vor 20 Minuten vom Gott Quitzlipochtli erschaffen wurde. Wer kann mir das Gegenteil beweisen?"

- Bertrand Russell (1872-1970)

Inducks: Mindstorms2
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#19
Wieder ein schöner Text von dir, wenngleich mir Andraes Ansatz völlig missfällt. Vielmehr finde ich, das Barks hier alle schön vorführt: Die Psychologen mit ihren merkwürdigen Therapieansätzen, den Männlichkeitswahn und natürlich auch aufdringliche Frauen, die Donalds Arbeit ungefragt einfach im Damenklub ausstellen wollen, ohne darüber nachzudenken, was der Urheber (= Künstler) davon hält. Wäre die Geschichte nicht so relativ früh erschienen (1949), könnte man glatt behaupten, sie spiegelt Barks selbst als überarbeiteten und gestressten Künstler wider. Aber vermutlich tut sie genau das. Denn sein Leben war zu dieser Zeit ja alles andere als angenehm – Clara "sei Dank".

Das immer wieder gerne zitierte "Barks mochte Daisy nicht" halte ich mittlerweile auch schon fast für eine Urban Legend. Klar, es gibt diese eine Zeile aus irgendeinem Interview, aber aus einer Momentaufnahme immer gleich eine absolute, auf ewig andauernde Abneigung zu schließen? Sowas schwankt halt. Ich habe auch Figuren, zu denen ich eine Hassliebe aufgebaut habe, aber irgendwo liegen sie mir doch am Herzen. Mit Sicherheit war Daisy nicht seine Nr. 1 (das waren erst Donald, dann Dagobert und später die Jungs), nichtsdestotrotz hat er sie auch oft "gut aussehen lassen".  Das er Daisy natürlich nutzte, um einige Geschlechterklischees darzustellen lag nun mal nahe. Aber auch Dagobert und Donald wurden von ihm ja auch nicht ständig in positivem Licht dargestellt.
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#20
Witzig: Kaum habe ich im CF einen Thread über Frauen eröffnet schon lese ich das hier ^^. Ich muss ehrlich sagen, ich kann Andraes Ansatz der Psychoanalytik so ziemlich gar nicht nachvollziehen. Das ist meiner Meinung nach schon ziemlich weit hergeholt. Meiner Meinung nach hat Barks einfach das abgebildet, was er in der Nacht davor geträumt hat, das ist die beste und sicherste Methode Albträume darzustellen und ich denke schon, dass Barks schlau genug ist, so etwas zu machen bevor er anfängt, sich Gedanken über psychoanalytische Prozesse zu machen und diese dann in seinem Comic darzustellen…
D.U.C.K. (Dedicated to Unca Carl and Keno)
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